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Über 270.000 Euro jährlich – so viel verlieren Unternehmen durch wirkungslose Weiterbildung.

  • Nadja Roehl
  • 1. Juli
  • 7 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 28. Juli

Der Grund: fehlender oder unzureichender Lerntransfer. Denn wer beim Lerntransfer spart, riskiert teure Maßnahmen ohne Wirkung – und verschenkt das Potenzial von Training und Coaching.

 

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Lerntransfer ist ein Begriff, der im Bereich der Weiterbildungsmaßnahmen immer häufiger verwendet wird. Im ersten Moment wirkt das Wort abstrakt. Wohin soll was transferiert werden?

Im Grunde geht es um die Praxisumsetzung des Gelernten im Alltag. Nun werden wahrscheinlich viele sagen: „Ich bin ja nicht auf den Kopf gefallen und durchaus imstande, das Gesagte auch in meine Arbeitswelt mitzunehmen.“ In einem störungsfreien Alltag mag das auch gelingen – allerdings sind 90 % unserer Arbeitstage alles andere als störungsfrei.

Tatsächlich passiert eher Folgendes: Wir nehmen an einer Weiterbildung teil. Wir gehen hochmotiviert aus dem Training raus, haben gute Ideen, Vorsätze, Tools und Methoden… und prallen frontal gegen die Wand des Arbeitsalltags. Häufig sind wir schnell wieder zurück im alten Trott, außerdem unter Zeitdruck und finden nicht den richtigen Hebel, um das Gelernte direkt in unseren individuellen Alltag zu integrieren. Zudem gibt es Hürden und Probleme, die wir weder verursacht haben noch beeinflussen können. Schnell kommt Frust auf, man fällt in alte Verhaltensmuster zurück – und die Wirkung der Weiterbildung ist verpufft.

 

Warum misslingt der Lerntransfer so oft?

Die meisten Weiterbildungsmaßnahmen werden von einer Führungskraft oder der Personalentwicklung (PE) geplant. Lernziele werden festgelegt, zusammen mit dem Trainierenden wird ein Konzept entwickelt. Dieses Konzept ist auf die Teilnehmergruppe als Ganzes zugeschnitten und vermittelt die entsprechenden Inhalte.

 

Weil der Trainer oder die Trainerin im Gruppentraining jedoch nicht spezifisch auf die Arbeitswirklichkeit jedes einzelnen Teilnehmenden eingehen kann, braucht es an dieser Stelle einen strukturierten Lerntransfer – eine konkrete, individuelle Umsetzung des Gelernten im Alltag. Nur so lässt sich die Wirksamkeit von Weiterbildung tatsächlich realisieren und der gewünschte Trainingserfolg steigern. Das Modell „5 Moments of Need“ veranschaulicht den Prozess des Lernens und des Lerntransfers:

Das Modell „Five Moments of Need”, basierend auf Mosher & Gottfredson, 2011
Das Modell „Five Moments of Need”, basierend auf Mosher & Gottfredson, 2011

Schauen wir uns ein Beispiel aus der Praxis an, um das Modell zu erläutern. Die ersten zwei Phasen werden während des Trainings oder Workshops mit dem Trainer abgedeckt:

1. New – Neues erlernen: „Ich bin Führungskraft und möchte Mitarbeitergespräche führen können.“

2. More – Wissen vertiefen: „Ich möchte ebenfalls Konfliktgespräche sicher leiten.“

 

Die nächsten drei Phasen finden im Arbeitsalltag statt, also im Lerntransfer. In der dritten Phase kann der Teilnehmende noch das Erlernte ohne Probleme anwenden.

3. Apply – Wissen anwenden: „Ich führe ein Mitarbeitergespräch und weiß durch das Training, dass es einen Fragebogen für die individuelle Weiterentwicklung des Mitarbeitenden gibt und wende diesen an.“

 

In der vierten Phase stößt der Teilnehmende im Alltag auf ein Problem, das er nicht mit dem Wissen aus dem Training lösen kann. Er benötigt Unterstützung im Lerntransfer.

4. Solve – Probleme lösen: „Mein Mitarbeitende möchte in eine andere Abteilung wechseln und ich weiß nicht, wie der Prozess in diesem Fall ist.“

 

In der fünften Phase trifft der Teilnehmende auf einen unvorhergesehenen Change, der nicht in der Weiterbildung besprochen werden konnte. Der Teilnehmende muss auch in der veränderten Situation das Gelernte der Weiterbildung anwenden können.

5. Change – Mit Veränderungen umgehen: „Das Unternehmen fusioniert mit einer anderen Firma. Abteilungen werden zusammengelegt und ich bekomme neue Mitarbeitende. Ich muss mich in Mitarbeitergesprächen als Führungskraft neu behaupten, mein Team emotional auffangen und mit dem Frust und Unsicherheiten der Mitarbeitenden richtig umgehen können.“

 

Die ersten beiden Bereiche werden in den Trainings und Workshops inhaltlich abgedeckt. Schwierig wird es in den anderen drei Schritten, wenn diese ohne Begleitung bleiben und der Teilnehmende das Gelernte auch bei Problemen anwenden muss. Je einfacher es für den Teilnehmenden ist, hier Unterstützung zu erhalten, umso eher wird das Gelernte in den Alltag integriert und steigert die eigene Kompetenz. Werden die letzten drei „Moments of Need“ nicht begleitet, entsteht Frust und das Gelernte wird nicht genutzt – die Transferwirksamkeit bleibt aus.

Erfährt der Teilnehmer nach dem Training keine Nachbereitung, verpufft das Gelernte (orange Kurve). Wenn dagegen ein Lerntransfer mit Begleitung stattfindet, lernt der Teilnehmende, das Gelernte anzuwenden – seine Leistung steigert sich (grüner Bereich).


Was bedeutet nicht vorhandener Lerntransfer in Zahlen?

Laut einer Studie der iwköln (Stand 2023) investieren Unternehmen jährlich durchschnittlich 1.347 Euro in die Weiterbildung des einzelnen Mitarbeiters. Zusätzlich durchschnittlich 20,3 Stunden der Arbeitszeit. Bei einem Unternehmen mit knapp 200 Mitarbeitenden werden also ca. 270.000 Euro jährlich investiert plus die Arbeitszeit von über 4.000 Stunden. Hält man sich diese Zahlen vor Augen, wird klar, wie essenziell ein Lerntransfer ist, damit das Gelernte nicht verpufft und die Arbeitszeit sowie die finanziellen Ausgaben nicht ohne jeglichen Nutzen, ohne bleibenden Effekt investiert wurden. Nur wenn der Teilnehmende seine Arbeitsleistung langfristig steigert und so zu einer steigenden Produktivität des Unternehmens beitragen kann, haben sich die Investitionen in die Weiterbildungsmaßnahme gelohnt.

Zudem erhöht ein begleiteter Lerntransfer und der damit verbundene Kompetenzzuwachs deutlich die Zufriedenheit des Teilnehmenden – im Gegensatz dazu steht der Frust, der oft beim vergeblichen Versuch entsteht, das Gelernte eigenständig auf neue Situationen im Arbeitsalltag anzuwenden. Wenn Unternehmen am Lerntransfer sparen, verlieren sie also nicht nur Geld und verzichten auf den Produktivitätszuwachs, sondern setzen auch die Mitarbeiterzufriedenheit aufs Spiel.

 

Wie kann Lerntransfer konkret aussehen?

Die Vermittlung von Wissen und das trainieren von Kompetenzen während eines Workshops oder Seminars allein reichen nicht aus. Eine begleitete Überleitung in den Alltag muss sichergestellt werden, um ein optimales Ergebnis zu erzielen.

Dies geschieht, indem schon in die Konzeption der Weiterbildung, Tools und Methoden für den Lerntransfer eingeplant werden. Beispiele hierfür können sein:


Social-Learning-Elemente (Buddy Teams, Mentoring-Elemente etc.)

App-Einbindungen, die bspw. Wissen abfragen, Aufgaben stellen oder Reminder schicken

Follow-up-Maßnahmen, um Hürden und Probleme aus dem Alltag aufzugreifen und zu analysieren.


     

Projektcoaching anbieten, damit Teilnehmende nach Bedarf auf einen Coach zurückgreifen können 

Begleitende Webinare oder weiterführende Webinare anbieten, um Wissen zu vertiefen

Einen moderierten Erfahrungsaustausch zwischen den Teilnehmenden ermöglichen



Generell ist es wichtig, vorab den Teilnehmenden Wege zu zeigen, wie sie agieren können, wenn sie auf Probleme oder Hürden stoßen, und Offenheit sowie Ehrlichkeit auch bei Problemen zu fördern.

 

Je nach Zielgruppe müssen bzgl. Zeiten und Settings einige Dinge berücksichtigt werden: Wie lange kann die Zielgruppe vom Arbeitsplatz fern bleiben? Kann die Zielgruppe virtuell arbeiten (gibt es einen Rückzugsort/Laptop, Kamera etc).? Gerade auch die Zielgruppe in der Produktion hat meistens nur einen Laptop, der sich geteilt werden muss. Sind die Teilnehmenden es gewohnt virtuell zu arbeiten? Gibt es für Apps bspw. Handys, die dafür genutzt werden dürfen? Wie lässt sich Buddy-Work in den Alltag integrieren?

Wenn es inhaltlich sinnvoll ist, sollten Trainings aufgeteilt werden in mehrere Einheiten über einen Längeren Zeitraum hinweg, damit die Teilnehmenden die Möglichkeit haben, das Erlernte in den Arbeitsalltag anzuwenden und zurück im Training Praxisbezogene Fragen und Fälle zu besprechen. Das fördert eine individuelle Betreuung im Training.


Zusammenfassend kann man sagen, dass es bei dem Lerntransfer um jeden individuellen Teilnehmer geht, das Erlernte nicht nur zu wissen, sondern auch in seinem Alltag anzuwenden.

 

Wichtig dabei ist, dass alle an der Weiterbildung Beteiligten eingebunden werden: Teilnehmende, TrainerInnen, Führungskräfte und die Personalentwicklung.


Teilnehmende

Die Teilnehmenden müssen eine klare und konkrete Zielformulierung für sich haben, ebenfalls muss diese mit der Führungskraft besprochen werden und auch in Richtung des Trainers kommuniziert worden sein. Was soll sich nach der Weiterbildung ändern? Was soll ich nach der Weiterbildung können?

Zudem müssen die Bereitschaft und der Wille vorhanden sein, sich weiterzuentwickeln. Ehrlichkeit, Offenheit und innerer Antrieb sind der Schlüssel zum Erfolg. Gerade in der Lerntransferphase muss der Teilnehmende die Sicherheit haben, angstfrei über Probleme und Hürden sprechen zu können, um an das besprochene Ziel zu kommen und nicht frustriert zu werden.

 

Führungskräfte

Führungskräfte haben eine maßgebliche Rolle in der Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden. Sie haben ebenfalls die Pflicht, Ziele mit den Teilnehmenden zu besprechen und diese nachzuhalten. Des Weiteren sollte die innere Motivation des Teilnehmenden gefördert und offen und ehrlich über Wünsche, Erwartungen, Möglichkeiten und Ziele gesprochen werden. Weiterbildung sollte immer etwas Positives sein und keine „Pflichterfüllung“. Führungskräfte sollten es immer als positiv erachten, wenn Mitarbeitende sich weiterbilden möchten, denn so wird auch das Unternehmen vorangebracht. Selbst eine Vorbildfunktion einzunehmen und ebenfalls an Weiterbildungen teilzunehmen, fördert die Motivation der Lernenden.

Eine Führungskraft sollte sich immer die Frage stellen, wie sie den Teilnehmenden (ganz individuell) bestmöglich unterstützen kann, um zur Zielerreichung zu kommen.

 

Trainer

Für Trainierende ist es wichtig, vorab eine Bedarfsanalyse/Bedarfsabfrage bei den Teilnehmenden durchzuführen, um sich optimal auf das Training und den Lerntransfer einzustellen. Ebenfalls sollten schon in die Konzeption der Maßnahme Tools und Methoden für den Lerntransfer eingeplant werden. Des Weiteren sollte schon bei der Konzeption mit dem Kunden diskutiert werden, ob das Training bspw. aufgeteilt werden kann, um eine Anwendung des Gelernten im Arbeitsalltag den Teilnehmenden zu ermöglichen.

 

Personalentwicklung

Die Einbindung der Personalentwicklung in die Konzeption und Durchführung des Lerntransfers ist von oberster Priorität, denn die Personalentwicklung ist das Bindeglied zwischen allen Beteiligten (siehe Abbildung 3). Bei dieser wird der Weiterbildungsbedarf von den Führungskräften und den Teilnehmenden gemeldet, hier wird der Trainer koordiniert und die Auftragsklärung durchgeführt.


Copyright Roehl Consulting GmbH
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Der Personalentwicklung als Bindeglied zwischen allen Beteiligten einer Weiterbildungsmaßnahme kommt die zentrale Rolle für einen erfolgreichen Lerntransfer zu.


Idealerweise führt die Personalentwicklung vorab Gespräche über Wünsche, Erwartungen und Ziele mit allen Beteiligten – und begleitet sowohl die Führungskraft als auch die Teilnehmenden nach der Maßnahme, damit ein Transfer erfolgreich wird. Des Weiteren muss bei der Budgetplanung ausreichend Zeit und Geld in den Bereich des Transfers eingeplant werden, bspw. für Coachings, Tools oder auch Follow-up-Einheiten.

Noch besser und effektiver ist es, wenn die Personalentwicklung einen definierten und strukturierten Lerntransferprozess integriert mit entsprechenden Handlungsempfehlungen für Führungskräfte, Teilnehmenden und ggf. Trainer. Der Prozess beinhaltet bspw. auf das Unternehmen abgestimmte Gesprächsleitfäden (Bedarfsklärung zwischen Führungskraft und Teilnehmenden vor der Maßnahme, nach der Maßnahme und im Laufe des Lerntransfers), Checklisten zur Zielvereinbarung des Teilnehmenden, Budgetplanung der Weiterbildungen im Transferprozess. Dies unterstützt sowohl die Führungskräfte als auch die Teilnehmenden in ihrer Rollenklarheit. Durch die vorgegebenen Gesprächsverläufe und Checklisten lässt sich eine sehr gute Transparenz und Verbindlichkeit herstellen.

Solch einen Transferprozess zu integrieren, ist im Vorfeld mit einigem Aufwand verbunden, zahlt sich aber auf lange Sicht sowohl zeitlich als auch finanziell aus, da der Teilnehmende das Weiterbildungswissen in das Unternehmen zurückträgt. Das Institut für Transferwirksamkeit stellt Checklisten und Tools bereit, sodass man hier nicht bei null starten muss.

 

Fazit

Lerntransfer ist aus unserer Erfahrung der am häufigsten unterschätzte Anteil in der Weiterbildung der Mitarbeitenden. Und das, obwohl klar sein dürfte, dass ein Misslingen des Lerntransfers die komplette Investition in eine Weiterbildungsmaßnahme zunichtemachen kann. Wer am Lerntransfer spart, spart am falschen Ende.



Deshalb unser Appell: Nutzen Sie die verschiedenen Möglichkeiten im Lerntransfer und machen Sie sich bewusst, dass Lerntransfer nur in der Zusammenarbeit von Personalentwicklung, TrainerIn, Führungskraft und Teilnehmenden funktionieren kann. Gerne beraten wir und unsere Trainierenden Sie bei der Wahl des passenden Lerntransfers.

 


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